Laura Dominici
SQUISHY
22.04. - 06.06.2025
SQUISHY
22.04. - 06.06.2025
Veronika Rudorfer
SQUISHY
Laura Dominici | SINK 2025
„idleness:
the state of not working or being used
the state of being without work
the state of being lazy and not willing to work“ *
Diese drei in ihren Bedeutungsgehalten ideologisch stark divergierenden Definitionen von idleness können als diskursiver Rahmen genutzt werden, um sich Laura Dominicis Ausstellung SQUISHY in SINK zu nähern: Wähnen die Betrachter*innen sich zunächst mit appropriierten Gebrauchsgegenständen konfrontiert und meinen zu neuartigen Objekten assemblierte Frotteehandtücher in verschiedenen Farben und Mustern auszumachen, erschließen sich die von Dominici sowohl im Produktions- als auch Rezeptionsprozess angelegten komplexen Operationen von Bedeutungsentladungen und -aufladungen erst, wenn die sonst strikt eingehaltene Regel des Kunstfeldes, „Please do not touch“, absichtsvoll gebrochen wird: So wird durch Berührung offenbar, dass es sich nicht um Handtücher mit der diesen zugeschriebenen Funktion des Trocknens respektive Aufnehmens von Wasser handelt, sondern um in aufwändiger mehrtägiger (Hand-)Arbeit gefertigte Objekte aus Silikon, deren Funktionalität durch die wasserabweisende Materialität unterlaufen wird. In diesem taktilen Prozess der Interaktion zwischen Rezipient*in und Objekt blitzen auch ortsspezifische Momente assoziativer Wechselwirkungen zwischen dem Ausstellungsort SINK und der – hier visuell wie auch verbal evozierten – Feuchtigkeit beziehungsweise titelgebenden squishiness auf.
Im Herstellen mimetisch perfekter Doppelgänger*innen setzt Dominici ein rezeptives Spiel mit Gebrauchsgegenständen in Gang, ihre dahingehenden Täuschungen im Sinne eines Trompe-l’œil erweitert sie auf eine radikal materielle Dreidimensionalität hin, seien es die vermeintlichen Handtücher aus Silikon in der Ausstellungoder etwa Kissen aus Scagliola in der früheren Serie Idleness (ab 2019). Die drei Objekte in SINK verweisen auf einen Assoziationsraum von Urlaub und (zunächst) positiv konnotierter idleness, dessen dichotomische Verhandlung entlang der Pole Erwerbsarbeit und Nicht-Arbeit prägend für Dominicis Praxis ist: Dies zeigt sich bereits in ihren Produktionsprozessen, deren programmatische Entschleunigung und intendierte Herstellung von autonomer Nicht-Funktionalität in eklatantem Widerspruch zu spätkapitalistischen Paradigmen eines uneingeschränkten Wachstums, maximaler Effizienz und unbedingter Beschleunigung stehen. Auch die in die Objekte integrierten Wortfragmente, wie etwa ALL, (ALW)AYS, EVERYD(AY) oder SAME deuten auf ein zu lange der Produktions- wie auch Rezeptionszeit hin: So lassen die Fragmente nach der zeitlichen Dimension von Urlaub oder Freizeit fragen, nach dem Kippmoment von positiv erlebter Abwesenheit von Arbeit als Müßiggang hin zu einem Zustand des Unbehagens. Wiederum ortsspezifische Potenziale sind dieser Zeitlichkeit eingeschrieben, wenn die im Raum unter Spüle montierten Objekte die Frage aufwerfen: Wie lange hängen sie dort bereits zum (vergeblichen) Trocknen?
Indem Dominici diese Fragestellungen im Produzieren mimetischer Abbilder von jacquard-gewebten Handtüchern verhandelt, offenbaren sich die Objekte aus der Serie SQUISHY zugleich als komplexe Allegorien von Arbeit: So markierte der ab 1801 von Joseph Marie Jacquard erfundene Jacquard-Webstuhl einen wesentlichen Schritt in der Automatisierung des Webens: Mittels einem binären System folgenden Lochkarten wurde so das automatisierte Weben von Jacquard-Mustern möglich, die damit einhergehende gesteigerte Effizienz der Produktionsprozesse bedingte den Verlust von Arbeitsplätzen und damit unfreiwillige und sozio-ökonomisch folgenreiche Formen von idleness. Auch auf gegenwärtige, sich immer rasanter vollziehende Entwicklungen von Digitalisierung und damit maximierter Effizienz warf Jacquards Erfindung bereits ihre Schatten voraus: So diente das binäre System der Lochkarten dem Mathematiker Charles Babbage als Grundlage für dessen 1837 erstmals präsentierte Analytical Engine, ein Urtyp des heutigen Computers.
In ihrer Ausstellung SQUISHY verdichtet Laura Dominici die verschiedensten Implikationen von Arbeit und idleness – sei es Automatisierung, Arbeit als flow, vermeintliche Faulheit, Urlaub als Luxus oder Konsumgüter einer entsprechend monetarisierbaren Freizeit. Nicht zuletzt lassen ihre Objekte dabei an Urlauber*innen denken, die mit Handtüchern Liegen am Pool reservieren und sich auf diese Weise ihren individuellen Platz an der kapitalistischen Sonne zu sichern meinen.
* Vgl. „idleness“, in: Cambridge Advanced Learner's Dictionary & Thesaurus, auf: https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/idleness [zuletzt abgerufen am 18.4.2025].
Photos: Thomas Steineder